Zehnjähriger Leo spielt bei Adventskonzert

12.12.2017 19:00

Musik kennt keine Hindernisse: Zehnjähriger Leo spielt bei Adventskonzert

Der zehnjährige Leo Strittmatter ist seit einem Unfall schwerstbehindert. Mit Hilfe eines eigens angefertigten Instruments kann Leo trotzdem seiner Leidenschaft nachgehen: der Musik. Nun nimmt er am Adventskonzert des Musikvereins Öflingen teil.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wenn der Musikverein Öflingen (MVÖ) am Samstag sein Adventskonzert gibt, wird auch der zehnjährige Leo Strittmatter mit dem Zöglingsorchester auf der Bühne sein. Klingt erstmal nach nichts Besonderem, ist es im Fall von Leo aber schon. Und dass der Junge Musik machen kann, ist der Hilfe Vieler zu verdanken.

Seit einem Unfall im Jahr 2008 – ein anderes Auto krachte damals in den Wagen von Tanja und Heiko Strittmatter – ist Leo schwerstbehindert, sitzt im Rollstuhl und wird über einen Schlauch beatmet. Geistig ist er völlig fit und besucht die vierte Klasse der Weihermattengrundschule in Bad Säckingen, die körperlichen Verletzungen werden aber nie heilen. Ein Schicksalsschlag, mit dem die Familie lernen musste umzugehen, und dies auch tat. Wenn es in Öflingen eine Veranstaltung gibt, sind die Strittmatters – dazu gehört noch Leos Schwester Cora – mit dabei. Sie wollen, dass Leo der Welt begegnet und die Welt Leo.

Die Musik spielt in der Familie Strittmatter schon immer eine Rolle. Heiko Strittmatter spielte früher beim MVÖ und Dirk Strittmatter, Onkel von Leo, ist Musiker des MVÖ und außerdem Dirigent des Zöglingsorchesters. Da ist es nicht verwunderlich, dass auch Leo sich für Musik begeistert, vor allem sein Onkel ist dabei ein großes Vorbild. „Wir möchten, dass Leo Kontakt zu Kindern in seinem Alter bekommt“, so Heiko Strittmatter. Ein Sportverein kommt für Leo nicht infrage, der Musikverein Öflingen ist eigentlich ideal für Leo, um die Welt zu entdecken. Seit September hat Leo nun zweimal pro Woche Musikunterricht, einmal alleine und einmal mit dem Orchester.

Die Zauberflöte, die Leo spielt, sieht nicht unbedingt wie ein typisches Musikinstrument aus, bietet aber ungeahnte Möglichkeiten.
Die Zauberflöte, die Leo spielt, sieht nicht unbedingt wie ein typisches Musikinstrument aus, bietet aber ungeahnte Möglichkeiten. | Bild: Jörn Kerckhoff

Das fängt schon beim Musikinstrument an. Ein normales Blasinstrument kann Leo aufgrund seiner Behinderungen nicht spielen. So ging Heiko Strittmatter schon vor Jahren im Internet auf die Suche, ob es nicht ein Instrument gibt, das für Leo geeignet ist. Dabei stieß er auf die „Magic flute“ (Zauberflöte), die der Holländer Ruud van der Veel entwickelt hat. Diese Zauberflöte ist ein elektronisches Gerät, das jede Menge Instrumente – von Blasinstrumenten über Klavier bis hin zum Schlagzeug – imitieren kann und über Ein- und Ausatmen gesteuert und gespielt wird. Die Tonhöhe wird über die Kopfhaltung bestimmt. Dies wird durch ein Gyroskop möglich, das die Bewegungen des Kopfes umsetzt. Van der Veel ist Atemtherapeut und entwickelte dieses spezielle Instrument, um auch die Atmung des jeweiligen Musikers zu fördern. So erfüllt die Zauberflöte gleich mehrere Aufgaben.

„Vor ein paar Jahren haben wir schon Kontakt mit Ruud van der Veel aufgenommen und ein Testinstrument ausgeliehen“, erzählt Heiko Strittmatter. Damals sei Leo aber wohl doch noch zu jung gewesen. Inzwischen ist der Wunsch, Musik zu machen, aber so groß, dass es Sinn machte, dieses Instrument anzuschaffen. Übrigens auch für Dirk Strittmatter eine Herausforderung. Auch wenn er selbst mehrere Instrumente spielt, die Magic flute ist auch für den ausgebildeten Instrumentallehrer etwas ganz Neues.

Die Zauberflöte ist natürlich kein Masseninstrument, sondern eine Sonderanfertigung. „Sie ist auch nicht viel teurer, als ein normales Instrument und der Musikverein Öflingen bezahlt allen seinen jungen Musikern ihr Instrument“, erzählt Ilona Kunzelmann. Dennoch gab es für die Zauberflöte noch Unterstützung von ganz anderer Seite, nämlich vom St. Elisabeth-Verein Öflingen. „In genau solchen Fällen sind wir da, um zu helfen“, erklärt der Vorsitzende Hans Loritz. Von der Geschichte der Strittmatters hatte er schon Jahre zuvor gehört und damals habe der Verein schon seine Hilfe angeboten. Dank guter Versicherungen und viel Unterstützung sei diese Hilfe aber bislang nie angefordert worden. Nun hörte Loritz auch von Leos Wunsch, beim MVÖ mitzuspielen und das war die Gelegenheit für den St. Elisabeth-Verein, die angebotene Hilfe umzusetzen. Loritz selbst war zwar selbst nie Musiker beim Musikverein Öflingen, sein Großvater Eduard Rotzler sei aber eines der Gründungsmitglieder im Jahr 1895 gewesen. Auch, wenn die Musik im Verein immer ein wichtiges Element gewesen sei, habe man immer auch großen Wert auf die Integration und den Zusammenhalt innerhalb des Vereins gelegt. Das mache den Musikverein Öflingen schon zu etwas Besonderem, so Loritz.

Nach dem Motto „es gibt keine Probleme, nur Lösungen“ machte man sich beim Musikverein Öflingen deswegen auch daran, Leo seinen Traum vom Musikmachen zu erfüllen und ihm so ein Stück Normalität in seinem Leben zu bieten. Das werde nicht immer einfach, weiß auch die Vorsitzende. Schon beim Adventskonzert brauche es eine Rampe, um Leo mit seinem Rollstuhl auf die Bühne zu bringen. Eine solche Rampe habe der Verein bislang nicht, da gelte es erst mal, zu improvisieren. Wenn es auf Reisen geht, braucht Leo immer eine Betreuung, die dann wohl Heiko Strittmatter übernehmen wird.

Viel näher ist aber erst mal der erste öffentliche Auftritt von Leo mit den anderen Zöglingen am Samstag. Nervös sei er im Moment nicht, erzählt der Zehnjährige. Er freue sich auf den Auftritt, bei dem die Zöglinge „Rudolph the rednosed Reindeer“, „Old McDonald“ und als Zugabe „Stern über Bethlehem“ spielen werden. Dabei wird Leo mit seinem vielseitigen Instrument erst mal im Posaunenregister eingesetzt. Aber sein Instrument biete viele Möglichkeiten, die der MVÖ künftig sicher auch nutzen werde, freut man sich über den Nachwuchsmusiker mit der Zauberflöte.

Facebook YouTube Flickr
Copyright © MBMM. All rights reserved.